Schon immer hat es Menschen gegeben, die bei erkrankten Mitmenschen erfolgreicher Hilfe leisten konnten als andere, ein Umstand, den man ihrer natürlichen Heilbegabung zuschrieb. Sie gilt, zusätzlich zu Erlernbarkeit und Können, bis auf den heutigen Tag als wünschenswerte Eigenschaft für den Beruf des Heilpraktikers.

Heilkundige mit einer solchen Grundvoraussetzung gab es zu allen Zeiten und in allen Kulturen mit ihrem Weltbild, entsprechend der unterschiedlichen Ausprägung ihres "Medizinischen Modells".

In unserem Kulturkreis fußt die Heilkunde, auf die sich der Heilpraktiker bis heute beruft, auf den Säftelehren des griechischen Altertums, die sich im Wesentlichen über das Mittelalter bis in die Humoralpathologie der Neuzeit erhalten haben.

Dieses Vorstellungsmodell, in das von Beginn an die Pflanzenheilkunde integriert war, erwies sich als äußerst erfolgreich. Auch wenn es seit der Gründung von Universitäten mit der scholastischen Medizin neben den Heilbehandlern aus dem Volk die Behandlung durch universitäre Ärzte gab, gingen doch beide lange Zeit von gemeinsamen Grundvorstellungen in der Heilkunde aus. Erst mit der Anerkennung der Virchowschen Zellularpathologie im 19. Jahrhundert gehen akademisch-ärztliche Medizin und Naturheilkundler in ihren Vorstellungen von Krankheit und Gesundheit getrennte Wege.

Als Reaktion auf die neue wissenschaftliche Medizin formierte sich zum Ende des 19. Jahrhunderts auch die empirische Heilkunde neu mit dem Gebot, in ihren Heilweisen den Weg der Natur nachzuvollziehen, möglichst natürlich zu behandeln, auf jeden Fall aber nicht zu schaden.

Diese Heilkunde speiste sich aus 3 Quellen:

  • der geistig-philosophischen Bewegung des ausgehenden 18. Jahrhunderts
  • der volksmedizinischen Bewegung zu Beginn des 19. Jahrhunderts
  • den Impulsen, die auf antikes Gedankengut zurückgriffen.

Die Homöopathie Hahnemanns, die in der wissenschaftlichen Medizin praktisch keinen Stellenwert hatte, wurde von Anfang an von diesen naturheilkundlich orientierten Heilkundigen anerkannt und in ihre heilkundliche Tätigkeit integriert, was ihr wesentlich zu der heutigen Verbreitung und Popularität verhalf.

Für die gesamte Entwicklung seit dem Mittelalter stehen beispielhaft Namen wie:

  • Äbtissin Hildegard von Bingen als namhafteste Vertreterin der Klostermedizin, deren Heilkunde aber auch von tiefer Mystik durchdrungen war.
  • Paracelsus als Vertreter einer universellen und breitgefächerten heilkundlichen Tätigkeit über die Alchemie bis zur Spagyrik.
  • Bauer Vincenz Prießnitz als Begründer der Wasserheilkunde und Erfinder des heute noch hochgeschätzten Prießnitzwickels.
  • Fuhrmann Johann Schroth als Vertreter des Heilfastens und der Diätetik mit seiner Schrothkur.
  • Pfarrer Sebastian Kneipp, der für die Erneuerung und Erweiterung der Wasserheilkunde sowie für eine gesunde Lebensweise steht, u.a. mit seinem Grundlagenwerk "So sollt Ihr leben".
  • Pastor Emanuel Felke, der wegen seiner Lehmbäder den Beinamen "Lehmpastor" erhielt. Ihn kann man in besonderer Weise wegen seiner breitgefächerten naturheilkundlichen Tätigkeit als Vater der Heilpraktiker ansehen. Seine Schwerpunkte lagen auf so heilpraktikertypischen Verfahren wie Augendiagnose, Pflanzenheilkunde und Homöopathie, aus der er erstmalig auch ein Komplexmittelsystem entwickelte.

Von der Antike bis zur Neuzeit waren der freien Ausübung der Heilkunde keinerlei Grenzen gesetzt. In den breiten Bevölkerungskreisen geschah dies überwiegend durch die Heilkundigen aus dem Laienstand.

Hierbei wurden die alten Methoden kontinuierlich weiterentwickelt und führten zu den neuen Verfahren des 19. Jahrhunderts.

Die Aufhebung der allgemeinen Kurierfreiheit 1851 beendete den bisherigen Rechtszustand, konnte die Weiterentwicklung jedoch nicht entscheidend hemmen.

Nach Wiedereinführung der Kurierfreiheit 1869 formierten sich die unterschiedlich orientierten Heilkundigen, wie z.B. Kräuterheiler, Knochenrenker, Homöopathen und Magnetopathen, kontinuierlich zu einem Berufsstand. Gemeinsame Aktivitäten in den aufkommenden Volksgesundheitsbewegungen sowie Gründung von Ausbildungsstätten und Berufsverbänden, waren ein Indiz für die endgültige Formierung eines neuen Berufsstandes.

Das Heilpraktikergesetz von 1939 regelte die weitere Tätigkeit der Heilkundigen mit einer behördlichen Erlaubnis und legte die Berufsbezeichnung HEILPRAKTIKER fest. Die weitere Erlaubniserteilung konnte nur noch in besonders begründeten Ausnahmefällen erworben werden.

1952 wurde diese Einschränkung, die quasi einem Ausbildungs- und Zulassungsverbot gleichkam, als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar aufgehoben. Das Heilpraktikergesetz wurde damit die rechtliche Grundlage für die "Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne als Arzt bestallt zu sein".

Beschlossen am 26. Juli 1995 in Düsseldorf, geändert durch Beschluss am 30. August 1996.