Die Europäische Union hat verschiedene Möglichkeiten der rechtlichen Regulationen im Arzneimittelbereich.

Die EU-Verordnungen ( EU-Regulations ) sind für jeden Bürger der EU direkt und bindend wirksam. Sie erfordern keine Umsetzung in nationales Recht und können durch den nationalen Gesetzgeber auch nicht beeinflusst werden.

EU-Richtlinien ( EU-Directives ) wenden sich an die Mitgliedstaaten der EU und müssen bis zu einem festgesetzten Termin in bindendes nationales Recht umgesetzt werden. Sie sind hinsichtlich des gesetzgeberischen Ziels verbindlich, allerdings hat der nationale Gesetzgeber geringfügige Modifikationsmöglichkeiten bei der Umsetzung in das nationale Recht.

EU-Entscheidungen ( EU-Decisions ) sind vom EU-Rat oder der EU-Kommission erlassene Einzelfallentscheidungen, die jeweils rechtlich verbindlich sind, ohne dass diese in nationales Recht übertragen werden müssen.

Bei den EU-Leitlinien ( EU-Guidelines ) handelt es sich um rechtlich nicht verbindliche Dokumentationen für bestimmte Sachverhalte, die bei entsprechender Begründung mit den entsprechenden Abweichungen in nationale Richtlinien und Leitlinien umgesetzt werden.

Innerhalb der Europäischen Union ( EU ), die ja als EWG gegründet wurde, gab es bereits im Jahr 1965 die erste pharmazeutische Richtlinie ( 65/65/EWG ) die die formalen und materiellen Zulassungsvorausetzungen für Fertigarzneimittel mit dem Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bestimmte. Zehn Jahre später wurde die europäische Prüfrichtlinie 75/318/EWG verabschiedet, die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der europäischen Länder in Bezug auf die analytische, pharmakologische, toxikologische und klinische Prüfung von Arzneimitteln regelte.

Die zweite pharmazeutische Richtlinie ( 75/319/EWG ) entwickelte die Einzelheiten des nationalen Zulassungsverfahrens und gab in Artikel 39 die Übergangsfristen für die Anpassung der alten nationalen Arzneimittelgesetzgebungen der EU-Mitgliedstaaten an das gemeinsame europäische Recht vor. Dabei bekamen Altarzneimittel, die bei Inkrafttreten der Richtlinie 319 bereits im Verkehr waren eine fünfzehnjährige Übergangsfrist, in der sie auf dem Arzneimittelmarkt bleiben konnten.

Im Zuge des Überprüfungsverfahren, welches in Deutschland als Nachzulassung bezeichnet wird, mussten diese Arzneimittel dann ihre Übereinstimmung mit hohen europäischen Anforderungen nachweisen. In den Jahren 1983 und 1993 wurde das europäische Zulassungssystem weiter überarbeitet und im Jahr 1993 mit den Richtlinien 93/39/EWG, 93/40/EWG und 93/41/EWG im Bereich der dezentralen und der nationalen Zulassungen neu geregelt. Die Verordnung 2309/93 des Rates der EU legte die Grundlage für die europäische Zulassungsagentur. Neben der nationalen Zulassung von Arzneimitteln ( nach dem AMG ) und der dezentralen Zulassung ( EU-Direktive 75/319/EWG ) ist die zentrale europäische Zulassung bei der EMEA als zuständige Behörde angesiedelt.

Die EMEA ( die oberste europäische Arzneimittelagentur mit Entscheidungsgewalt ), besteht aus jeweils:

4 Mitgliedern der europäischen Kommission
4 Mitgliedern des europäischen Parlaments
4 Vertretern der Mitgliedsstaaten
4 Vertretern der Industrie bzw. von Patientenvereinigungen!

Die EMEA hat auch Ausschüsse zur Bewertung von Tierarzneimitteln (CVMP), zur Begutachtung von Orphan Drugs für seltene Leiden (COMP) und einen Ausschuss für die Beurteilung von Pflanzen/Pflanzlichen Arzneimitteln (CHMP). Hierdurch wurde die bisher bereits bestehende und von Dr. Keller, BfArM, geleitete Ad-hoc-Arbeitsgruppe für pflanzliche Arzneistoffe (WGHMP) offiziell bei der EMEA eingerichtet und gleichrangig neben den anderen Ausschüssen arbeiten. Die Aufgabe dieses Ausschusses wird die Erstellung spezieller Monographien bezüglich Bestandteilen, Dosisstärke und Anwendungsart für traditionelle Arzneimittel, aber auch die Bearbeitung der teilweise schon bestehenden Monographien (ESCOP) für die den chemischen Arzneimitteln dann gleichgestellten pflanzlichen Arzneimitteln sein.

Im Zusammenhang der Möglichkeiten zum Erhalt von naturheilkundlichen Arzneimitteln muss auch die seit Oktober 2000 geführte Diskussion um den EU-Richtlinien-Entwurf "Traditionel Use" gesehen werden. Danach sollten ursprünglich alle pflanzlichen Arzneimittel als "traditionelle Arzneimittel" auf ein reduziertes Anwendungsgebiet herabgestuft werden und nur damit überlebensfähig sein, vergleichbar unseren frei verkäuflichen Präparaten. Dank des Einsatzes der Industrieverbände wurde dies deutlich revidiert.

Die in der Diskussion um diese Richtlinie einzubringende Forderung musste darin bestehen, alle pflanzlichen Arzneimittel, die den Vorschriften 65/65/EWG, sowie den Anforderungen der EG-Richtlinie 1999/83/EG (well established use) genügen, sollen als sogenannte "Well established Medicinal Use" (allgemein medizinisch verwendet) und damit als gleichberechtigte pflanzliche Arzneimittel zugelassen werden können und damit als vollwertige Arzneimittel erhalten bleiben.

Nur für den verbleibenden, hoffentlich vergleichsweise kleinen Rest könnte dann vergleichbar unseren deutschen Arzneimitteln nach § 109 a AMG die traditionelle Schiene ein Auffangbecken als "Traditional Use" sein, mit dem das Überleben auch dieser Arzneimittel europaweit gesichert werden kann.

Es kann und darf nicht sein, dass die seit Jahrzehnten und Jahrhunderten bewährten und bekannten Heilpflanzen in Deutschland im Rahmen der Nachzulassung verboten werden, dann aber, ab dem Jahre 2004 genau diese Pflanzen legal aus dem EU-Ausland, z.B. England importiert werden können.

Homöopathische Arzneimittel sind derzeit durch die Richtline 92/73/EWG europaweit anerkannt und abgesichert.

Arne Krüger, stellv. Sprecher der Arzneimittelkommission der deutschen Heilpraktiker

LITERATUR:
Blasius, H. et al : Arzneimittel und Recht in Deutschland, WVG, 1. AUfl. 1998, Stuttgart
Blasius, H. et al : Arzneimittel und Recht in Europa, WVG, 1. Aufl. 1998, Stuttgart
Blasius, H. : 25 Jahre Arzneimittelgesetz, Deutsche Apotheker Zeitung, Nr. 41 / 2003
Bundesverband der Arzneimittelhersteller ( BAH ), Homepage, Informationen zum Arzneimittelrecht
Deutsch, E. / Spickhoff, A. : Medizinrecht, Springer-Verlag, 5. Aufl. 2003, Berlin
Krüger, A. Infektionskrankheiten im Kommen ?, Berliner Heilpraktiker Nachrichten Nr. 4 / 1997 und 1 / 1998
Krüger, A. : Arzneimittelkommission Aktuell, Pressemeldungen der Arzneimittelkommission der deutschen Heilpraktiker, Veröffentlicht u.a. in den Fachzeitschriften Naturheilpraxis, Heilpraktiker & Volksheilkunde, WIR und in der Homepage der Arzneimittelkommission unter www.ddh-online.de
Krüger, A. : Die rechtliche Situation der naturheilkundlichen Arzneimittel, Vortrag auf den 42. Berliner Heilpraktikertagen am 25. Oktober 2003
Krüger, A. : Die rechtliche Situation der naturheilkundlichen Arzneimittel in Deutschland und Europa, Vortrag auf den Heilpraktikertagen 2004 in Essen am 18. April 2004
Toellner, R. : Illustrierte Geschichte der Medizin, Andreas & Andreas Verlagsbuchhandlung, 1. Aufl. 1986, Salzburg